Seit 1994 wählt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie alljährlich den „Pilz des Jahres“. Die präsentierte Art soll stellvertretend für alle Pilze den Blick der Öffentlichkeit auf die wichtige Bedeutung der Pilze für unser Ökosystem richten.

Der Pilz des Jahres setzt eine schon länger bestehende Tradition der Wahl von Organismen des Jahres fort:

  • 1971 wählte der Naturschutzbund mit dem Wanderfalken erstmals einen Vogel des Jahres.
  • Die erste Blume des Jahres folgte 1980 mit dem Lungen-Enzian.
  • 1989 wurde die Eiche erstmals als ein Baum des Jahres vorgestellt.
  • Den Fisch des Jahres führte 1993 der Verband Deutscher Sportfischer ein.
  • Seit 1994 präsentiert die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den Pilz des Jahres.
     

Leitgedanken zur Wahl

Welche Leitgedanken führen zu einer solchen Wahl und dem damit verbundenen, gleichsam öffentlichen Denkmalsetzen für ein Tier, eine Pflanze oder für einen Pilz?

Besonders in unserer Zeit des Hightechs, aber auch der Umweltprobleme, wird es zunehmend nötiger, den Menschen wieder mehr in die Natur zurückzuführen. Es ist unerlässlich, ihm zu verdeutlichen, wie abhängig er von ökologischen Zusammenhängen ist. Oftmals glauben wir, ungestraft in den Haushalt der Natur eigennützig eingreifen zu dürfen. Doch die Natur wehrt sich noch und schlägt oft zurück, auch wenn ihr Widerstand stellenweise immer kraftloser zu werden scheint.
 

Rückbesinnung zur Artenkenntnis

Schlagartig wird uns bewusst, wie notwendig das Rückbesinnen auf die Tier-, Pilz- und Pflanzenarten ist. Müssen wir doch immer mehr erkennen, welche geringe Bedeutung den Organismenarten zugemessen wird in den so stark betonten, sogenannten „Life Sciences“. So war das Programm der Veranstaltung „Bayern Innovativ - Forum Life Science 2001“ ausschließlich auf Nutzung von biologischen Ressourcen bzw. auf Funktionen im molekularbiologischen Bereich abgestellt. Keinerlei Beiträge waren vorgesehen, die auf die Bedeutung der Vielfalt der Arten, der sog. Biodiversität, für Ökosystem und Mensch eingegangen wären. Es ist eine Fehlentwicklung, wenn die Life Sciences immer nur aus der Sicht von Molekularbiologie und Anwendung interpretiert werden. Gleichzeitig ist uns klar, dass diese Forschungsmethoden erhebliche Fortschritte bringen und auch der Erforschung der Biodiversität einen erstaunlichen Anschub brachten.

Tröstlich ist, dass mancherorts die Biodiveristät hochgeschätzt wird. Doch gleichzeitig müssen wir mit ansehen, wie die Artenkenntnis, die Kenntnis über die Arten, sich immer mehr verliert. Die „Welt am Sonntag“ meldete in einer Septemberausgabe des Jahres 2001 treffend, Taxonomen und Systematiker seien eine aussterbende Wissenschaftlerspezies. Dies ist eine sehr bedenkliche Entwicklung. Denn nur diese Wissenschaften können uns Informationen vermitteln über Merkmale von Arten, deren Funktion und Bedeutung für Mensch und Umwelt.
 

Basis für den Biotop- und Artenschutz

Nur was man kennt, mit Merkmalen und ökologischen Fähigkeiten, kann man vor der Ausrottung schützen. Und gerade bei Pilzen besteht die Gefahr, dass von den geschätzten eineinhalb Millionen lebenden Arten eine Menge bereits ausgestorben sein wird, bevor man überhaupt Kenntnis von ihnen erlangen konnte.

Wir sind also aufgerufen und fest überzeugt, mit der Wahl des „Pilz des Jahres“ nicht nur einer bestimmten Art gleichsam ein Denkmal zu setzen, sondern wir wollen zeigen, wie wichtig gerade die Pilze im Ökosystem sind und welch grundlegende Bedeutung der Erforschung der Pilze, der Mykologie, für den Menschen zukommt. Eine Art steht stellvertretend für hunderttausende von Arten, die oft weniger ins Auge fallen als gerade der erwählte Pilz, aber vielleicht einmal entscheidend für unsere Zukunft sein werden.

Bilder

Eichen- oder Laubwald-Rotkappe (Leccinum aurantiacum, Synonym: L. quercinum)

Eichen- oder Laubwald-Rotkappe (Leccinum aurantiacum, Synonym: L. quercinum) | Bild: Karl Wehr

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