Blauer Rindenpilz
Terana caerulea (Lam.) Kuntze 1891

Krustenförmig wachsende Pilze aus der künstlichen Sammelfamilie der Corticiaceae sind nicht jedermanns Sache. Ihre Bestimmung kann in den allermeisten Fällen nur mikroskopisch bewerkstelligt werden. Zudem sind Corticiaceae oft recht unscheinbar und von ihrem Aussehen her unattraktiv. Den Blauen Rindenpilz kann man jedoch schon aufgrund seiner wunderschönen indigofarbenen Fruchtkörper einfach nicht übersehen. Der Altmeister unter den Corticiologen, der Schwede John Eriksson, sagt vom Blauen Rindenpilz: „Es ist die Corticiacee, die am einfachsten zu erkennen ist“.

Der Blaue Rindenpilz ist in Deutschland eine seltene Art. Durch sein Erscheinungsbild wird er eindeutig identifizierbar und man kann davon ausgehen, dass seine Verbreitung deshalb gut bekannt ist. Will man den Blauen Rindenpilz finden, muß man am besten in wärmegetönten, feuchten Laubwäldern der süddeutschen Flussniederungen suchen. Dort wo große Ansammlungen von armstarkem Totholz, hauptsächlich von Esche, aber auch Ahorn, Haselnuss und Eiche zu finden sind, sollte man intensiv die Unterseiten der Äste absuchen. Der Blaue Rindenpilz ist ein Saprobiont, also ein Holzzersetzer der Initial- bis Optimalphase des Holzabbaus.

Die Fruchtkörper des Blauen Rindenpilzes bilden zunächst kleinflächige Überzüge auf dem Holz. Es wurden jedoch auch schon Fruchtkörper mit bis zu einem Meter Länge gefunden. Die Fruchtkörperoberfläche ist uneben, die Farbe violettblau bis fast dunkelblau bei älteren Exemplaren. Der dafür verantwortliche Farbstoff kommt aus der Gruppe der sog. Terphenyle, Moleküle mit drei Kohlenstoffringen, die in anderen Abwandlungen, z. B. als Polyporsäure, in vielen Porlingen vorhanden sind. Interessanterweise wachsen seine Pilzfäden in Reinkultur, also in Petrischalen mit Nährmedium, mit der gleichen Farbintensität wie beim Fruchtkörper. Die Eigenschaft, auf künstlichem Nährmedium zu wachsen, besitzen alle Pilze mit saprotropher Lebensweise, denn sie leben ausschließlich von toter organischer Substanz. Will man solche Saprobionten kultivieren, genügt es, ein Stück des Hymeniums im Deckel einer Petrischale zu befestigen, sodass die Sporen auf das Nährmedium fallen können. Dort keimen sie mehr oder weniger schnell aus und wachsen zu einem Mycelium, das man in einer Stammsammlung über viele Jahre hinweg am Leben erhalten kann.

Außer dem auffallenden Äußeren bietet der Blaue Rindenpilz auch mikroskopisch einige interessante Details: Der blaue Farbstoff ist nicht nur in den Hyphen zu beobachten, sondern wird auch in dicker Inkrustation in den Hyphenzwischenräumen abgelagert. Als Besonderheit lassen sich zwischen den Basidien sog. Dendrohyphidien (bäumchenartig verzweigte Hyphen) beobachten.

Im Zuge der Genforschung und DNA-Sequenzierung, die längst in fast alle mykologisch arbeitenden Laboratorien Einzug gehalten hat, wurden sehr viele Vertreter der Corticiaceae auf ihre natürliche Verwandtschaft hin untersucht, so auch der Blaue Rindenpilz. Was schon der niederländische Mykologe Marinus A. Donk allein durch mikroskopische Untersuchungen in den 60er Jahren vorhersagte, wurde 2005 bestätigt: Die Gattungen der corticioiden Pilze verteilen sich über das gesamte System der fruchtkörperbildenden Basidiomyceten. Einige von ihnen gehören nach neuesten Erkenntnissen sogar in die enge Verwandtschaft der Hutpilze, Feuerschwämme oder Pfifferlinge. Der Blaue Rindenpilz ist zusammen mit anderen corticioiden Gattungen in die große Verwandtschaft der porlingsartigen Pilze einzuordnen.

Der Blaue Rindenpilz wurde in Deutschland bisher als gefährdet eingestuft, da natürliche Flussniederungen mit genügend Totholz selten geworden sind. Bisher wurde er hauptsächlich bis in Höhenlagen von 400 m nachgewiesen. Durch die Klimaerwärmung ist eine Ausbreitung zu erwarten. Es ist daher sinnvoll beim Sammeln besonders auf den auffälligen Fruchtkörper des Blauen Rindenpilzes zu achten, um aktuelle Informationen über seine Ausbreitungstendenz zu erlangen.

Auf Vorschlag von Herrn Dr. Theiß hat die Deutsche Gesellschaft für Mykologie den Blauen Rindenpilz zum „Pilz des Jahres 2009“ gewählt, um auf die wenig beachtete Pilzgruppe der Corticiaceae aufmerksam zu machen und für die mögliche Ausbreitung dieser Art durch die Klimaerwärmung zu sensibilisieren.

Durch die indigofarbenen Fruchtkörper ist der Blaue Rindenpilz unverkennbar. | Foto: Matthias Theiß

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Bilder

Bild zum Pilz des Jahres 2009

Bild zum Pilz des Jahres 2009 | Bild: Peter Karasch

Bild zum Pilz des Jahres 2009

Bild zum Pilz des Jahres 2009 | Bild: Peter Karasch

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