In extremen Lebensräumen wie der Atacama-Wüste in Südamerika haben Einzelkämpfer oft das Nachsehen. Lebensgemeinschaften aus Pilzen und Algen – Flechten – sind hingegen nicht nur gemeinsam stark, sondern können sogar die Landschaft verändern und spielen bei der Bodenbildung eine Rolle. Das hat jüngst ein Team um Dr. Patrick Jung von der Hochschule Kaiserslautern belegen können.

Anfang des Jahres berichteten der Wissenschaftler und einige seiner Kollegen über eine spannende Entdeckung: In der chilenischen Atacama, die trockenste Wüstenregion der Erde außerhalb der Polarregionen, hatte er mikrobielle Lebensgemeinschaften untersucht. Auf kleinen Quarzsteinen leben dort Pilze und Algen in enger Gemeinschaft. Diese Flechten sind so zahlreich, dass sie den ansonsten beige gefärbten Boden an manchen Stellen schwarz erscheinen lassen. Sie leben nicht nur auf dem Quarz, sondern verkleben die kleinen Steinchen gewissermaßen und lassen so eine Kruste auf dem Boden entstehen. Im Englischen wird sie als ‚grit crust‘ bezeichnet, auf Deutsch als „Gruskruste“ – Grus ist durch Verwitterung zerbröckeltes, körniges Gestein.
 

Lebensgemeinschaften aus Pilzen und Grünalgen

„Die Kruste selbst wird durch verschiedene Flechten dominiert, die in die Gattungen Buellia fallen“, erklärte Dr. Patrick Jung gegenüber der DGfM. Allerdings seien auch Pleopsidium chlorophanum, Amandinea, Dimelaena und Pertusaria mit von der Partie. „Alle diese Flechten haben Grünalgen als Photobionten. Zusätzlich zu den flechtenbildenden Pilzen haben wir bisher Dothiodeomyceten der Gattung Lichenothelia identifizieren können, die als sogenannte ‚borderline lichens‘ sowohl solitär als auch mit symbiontischem Charakter flechtenassoziiert vorkommen.“

In einem kürzlich veröffentlichten Artikel zeigen die Forscher nun auf, wie aus den Krusten durch Verwitterungsprozesse schließlich Boden wird. Weitere Analysen haben gezeigt, dass die kleinen Steinchen keineswegs nur aus Quarz bestehen, sondern vielmehr eine polykristalline Gemengelage verschiedener Mineralien darstellen. Sie sind deutlich spröder als reiner Quarz und weisen feine Risse auf. Mikroorganismen können deshalb sehr leicht auf und sogar in ihnen siedeln.
 

Verwitterung und Bodenbildung durch Flechten

Die in der Atacama gefundenen Flechten sind zwar echte Überlebenskünstler, aber selbst sie brauchen Wasser – zumindest gelegentlich. Da es in chilenischen Wüste praktisch nie regnet, sind Tau und von der Küste herangewehter Nebel die einzigen Wasserquellen. Kommen sie damit in Kontakt, absorbieren sie die Feuchtigkeit und quellen auf. Dabei drücken sie das besiedelte Gestein etwas auseinander, nur um dann wieder zu schrumpfen, sobald sie trocknen. Durch das wiederkehrende An- und Abschwellen „kneten“ sie das Gestein regelrecht durch. Weiter geben die Flechten Stoffwechselprodukte ab, wodurch sich der pH-Wert verschiebt. Das heißt, sie verätzen die Steinchen. Diese werden zusehends spröder und zerfallen schließlich. Darüber hinaus bleibt an den Krusten Staub aus der Umgebung haften. Mit der Zeit bildet sich so neuer Boden.

In der Nähe der Krusten, die den Boden bedecken, gibt es im Nationalpark Pan de Azúcar einige Felswände. Diese Felswände beherbergen ähnliche Mikroorganismen, und das wahrscheinlich bereits seit sehr langer Zeit. Die klimatischen Bedingungen sind an jenem Ort seit Jahrmillionen gleich. Deshalb vermuten die Wissenschaftler, dass die heute auf dem Boden liegenden Steinchen durch Verwitterungsprozesse aus den Felswänden hervorgegangen sind. Die Lebensgemeinschaften, die sich in der Atacama-Wüste finden, haben somit allem Anschein nach eine sehr lange Geschichte.

 

Bildbeschreibungen

Abb. 1: Flechten besiedeln granitoide Gesteinskörner, die als sogenannte „Gruskruste“ die Landschaft prägen (links oben). Nebel und Tau als Hauptwasserquelle fördern die photosynthetische Aktivität der Organismen (rechts oben). Biowettermechanismen treten auf: pH-Verschiebungen, Schrumpf- und Quellwirkung, Enzymaktivität und Mineral-Lokalisierung (rechts unten). Im Laufe der Zeit führen Biowetterprozesse und Staubfallen zur Ansammlung von feinem Material, wodurch ein terrestrischer Unterwasserboden aus verschiedenen Sedimenten entsteht (links unten).

Abb. 2: Zeitliche Abfolge der Bioverwitterung in der Landschaft des Nationalparks Pan de Azúcar, Atacama-Wüste: (A) Grundgesteinsaufschluss aus granitoidem Material. (B) Kolonisiertes Gestein in unmittelbarer Nähe des Grundgesteinsaufschlusses. Maßstabsbalken zeigt 20 cm an. (C) Besiedelter grober Kies in unmittelbarer Nähe der Felsen. Der Maßstabsbalken zeigt 10 cm an. (D) Kieselsteine, verkettet durch Organismen. (E) Besiedelte Körner, die in der Landschaft schwärzliche Muster bilden.

Abb 3: (A) Fluoreszenzmikroskopie eines Gesteinskorns: Die Pilzfäden der Flechte (weiß; Chitin-Autofluoreszenz) durchdringen die Oberfläche und die Grünalgen-Photobionten (rot; Chlorophyll-Autofluoreszenz) zeigen die anderen für die Bioverwitterung verantwortlichen Mikrostrukturen. (B) Lichtmikroskopie eines Kornquerschnitts mit Flechtenlagern (grün) und gefüllten Hohlräumen, die mit braunen Partikeln gefüllt sind. Letztere belegen, dass Flechten feines anorganisches Material ansammeln. (C) Künstlich gefärbtes Rasterelektronenmikroskopiebild mit Flechtenlagern (rot) und Körnern (grün): Die Flechtenlager sind in die Oberfläche der Körner eingebettet. (D) Fluoreszenzmikroskopie eines ganzen Gesteinskorns: Im Inneren sind Pilzhyphen (weiß; Chitin-Autofluoreszenz) und Grünalgen-Photobionten (rot; Chlorophyll-Fluoreszenz) zu sehen.

 

Literatur

Bilder

Abb. 1: Schema von Gruskrusten

Abb. 1: Schema von Gruskrusten

Abb. 2: Zeitliche Abfolge der Bioverwitterung

Abb. 2: Zeitliche Abfolge der Bioverwitterung

Abb. 3: Flechten besiedeln Gesteinskörner.

Abb. 3: Flechten besiedeln Gesteinskörner.

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