Der Wolfgang-Beyer-Preis 2016 wurde an Jürgen Marqua und Christian Fischer für die Erstellung der „Pilzflora des Ehinger Raumes“ verliehen.

 

Laudatio von Birgit Weisel

„Über Pilze ist schon alles gesagt…“, so kündigte Jürgen Marqua frei nach Karl Valentin am 13.2.2015 in den einschlägigen Pilzforen das Erscheinen der „Ehinger Pilzflora“ in den Weiten des Internets an (http://www.pilzflora-ehingen.de/). Wer sich nicht immer auf das Internet verlassen will oder kann, kann die „Ehinger Pilzflora“ übrigens auch als DVD bei den beiden Preisträgern bestellen.

Beide Preisträger interessierten sich schon früh für Pilze. Jürgen Marqua fertigte schon im Alter von 14 Jahren detaillierte Pilzzeichnungen an, Christian Fischer sammelte hingegen kulinarische Pilzerfahrungen. Wie bei vielen Mykologen erweiterte sich sein Interesse schnell darüber hinaus, 1984 wurde er Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Mykologie Ulm (AMU) und bereits 1986 als Kartierer für den Ehinger Raum in der „Ulmer Pilzflora I“ genannt. Folgerichtig erscheinen daher in der „Ehinger Pilzflora“ Funddaten aus dem Jahre 1986, das bedeutet, dass die „Ehinger Pilzflora“ dieses Jahr eigentlich schon ihren 30. Geburtstag feiern könnte. Zwischendurch machte Christian Fischer allerdings einen Ausflug in die Unterwelt, wobei er sich intensiv mit Höhlenkunde beschäftigte. Das reichte vom eigenhändigen Buddeln im „Sontheimer Schacht“ bis hin zur Beschäftigung mit Höhlenbiologie insbesondere mit den in Höhlen lebenden Gliederfüßern. Da Gelenke leider mit der Zeit etwas weniger dehnbar werden und das Hindurchschrauben des Körpers durch enge Höhlengänge mit Schmerzen belohnen, wandte er sich wieder mehr den Pilzen zu. Am liebsten befasst er sich mit Schleierlingen, Weichritterlingen, Dachpilzen und seit kurzem auch mit „flachen“ Pilzen (Funga plana = Rindenpilze), da bei diesen, wie er sagt, mit Glück und neuerdings perfektionierter Schnitttechnik bereits ein einziges mikroskopisches Präparat ausreichen kann, alle wesentlichen Bestimmungsmerkmale zu erkennen.

Jürgen Marqua ist bekannt durch seine zahlreichen Artikel im „Tintling“, in denen er auf humorvolle und unterhaltsame Weise sein biologisches und mykologisches Fachwissen weitergibt, wozu zum Beispiel auch zählt, wie man mit Hilfe von „Knete“ einen praktischen Objekthalter für die Stereomikroskopie bauen kann. Auch in den Internet-Pilzforen hilft er bei Bestimmungsanfragen mit seinem umfassenden Wissen gerne kompetent weiter. Bevorzugt beschäftigt er sich mit Trichterlingen, Rötlingen und Schleierlingen, aber allem voran mit Pilzen auf Brandstellen. Seine Erkenntnisse publizierte er bereits in einigen wissenschaftlichen Zeitschriften, besonders positiv hervorzuheben ist der Artikel über Entoloma ollare in der Zeitschrift für Mykologie (Bd. 80/2). In letzter Zeit richtete sich sein Interesse zusätzlich noch auf Phytoparasitische Kleinpilze, Hyphomyceten, Flechten und Ascomyceten. Neben den Pilzen spielt die Musik eine große Rolle im Leben von Jürgen Marqua. Das Cover der DVD zur Ehinger Pilzflora ist dem Cover der legendären „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“ LP der Beatles nachempfunden. Da verwundert es nicht weiter, dass er Bassgitarrist und Keyboarder der in Ehingen und Umgebung bekannten Beatles-Cover-Band „Get Back“ ist. Aus eigener Erfahrung lohnt sich der Besuch eines Konzertes nicht nur für eingefleischte Beatles-Fans! Last but not least, Jürgen Marqua schreibt – offensichtlich noch immer nicht ausgelastet – auch Gedichte, die in einigen Lyrik-Anthologien des Verlags „Rote Zahlen“ publiziert wurden.

Was aber ist die „Ehinger Pilzflora“ denn nun eigentlich?

Zuallererst findet man Beschreibungen und Funddaten von bisher 1.180 Pilzarten (Stand 20.07.2016) aus dem Ehinger Raum. Dargestellt werden nicht nur Basidiomyceten, Ascomyceten und deren Anamorphe, sondern auch Myxomyceten und Flechten. Die Struktur und der Aufbau der Seite sind so übersichtlich und durchdacht, dass die gesuchte Pilzart ohne langes Blättern schnell gefunden wird. Zu jeder Art gehören detaillierte Beschreibungen des Fundorts inklusive der Kartierung mittels MTB-Drittelquadranten und WGS-84-Koordinaten. Für 634 Arten sind zusätzlich Rasterkarten mit Fundpunkten vorhanden. Ökologische Daten wie Boden- und Waldtyp, Substrat, Begleitflora und -funga sowie die regionale Verbreitung der Arten werden genannt. Es folgen präzise und detaillierte, dennoch wohltuend knapp gehaltene makro- und mikroskopische Beschreibungen zu den Arten. Dabei ist hervorzuheben, dass sich diese jeweils auf die eigenen Funde stützen, sich also nicht auf Literaturquellen beziehen.
Die eigene Bestimmungsarbeit wird – wo im Auge der Autoren nötig – kritisch bewertet, wie auch die Abgrenzung zu kritischen Arten angesprochen wird. Um die Darstellung zu vervollständigen, machen die Autoren Angaben zur Systematik, Synonymie und verwendeter Bestimmungsliteratur. Dies alleine würde schon ausreichen die „Ehinger Pilzflora“ zu einer hilfreichen Informationsquelle zu machen, das „Tüpfelchen auf dem i“ aber sind die herausragenden Makro- und Mikrofotos. Zu jeder Art finden sich Detailfotos bestimmungsrelevanter makroskopischer Merkmale. Jürgen Marquas akribische Fotocollagen der mikroskopischen Details sind von sehr hoher fotografischer Qualität. Um Details besser erkennen zu können, lassen sich alle Fotos per Mausklick vergrößern. Einige Arten werden zusätzlich durch aussagekräftige Makro- und Mikrozeichnungen von Jürgen Marqua illustriert.

In der Ehinger Pilzflora ist aber noch einiges mehr zu finden als Pilzbeschreibungen. Christian Fischers informative Beschreibungen verschiedener Biotoptypen in der Rubrik „Lebensräume“ mitsamt typischer Pflanzen- und Pilzarten sowie regionaler Vorkommen zeugen von seiner Begabung, ökologische Zusammenhänge gut verständlich darzulegen. Wer sich für Pilze auf Brandstellen interessiert, wird die zugehörigen Beschreibungen von Jürgen Marqua in der Rubrik „Projekte“ finden. Es wäre noch vieles mehr zu nennen, ich möchte aber abschließend noch auf die umfassende Linksammlung zu mykologischen Themen – insbesondere auch zur Literaturrecherche – hinweisen.

(Das genaue Studium der „Ehinger Pilzflora“ informiert den interessierten Leser auch darüber, dass auch unter Pilzen „Loriotsche Steinläuse“ zu finden sind. Nähere Details lassen sich in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift „Mycological Decrease“ nachlesen.)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man über viele Arten mehr als in einem „gewöhnlichen“ Pilzbuch erfährt. Die Art der Darstellung, die detaillierten ökologischen Daten und die genaue Kartierung, sind als Ganzes gesehen einzigartig und in dieser Form bisher nirgendwo anders zu finden.

Beide Preisträger haben zusammen die Schulbank gedrückt und sind seit langem eng befreundet. Ohne diese Freundschaft wäre die sehr zeitaufwändige Bearbeitung der „Ehinger Pilzflora“ mit Sicherheit nicht möglich gewesen. Und es wird fleißig weitergearbeitet, beinahe wöchentlich kommen neue Arten dazu! Wir freuen uns daher sehr, dass wir eure Arbeit, lieber Jürgen Marqua, lieber Christian Fischer mit der Verleihung des Wolfgang-Beyer-Preises würdigen und unterstützen dürfen! Wir wünschen uns auch, – ein bisschen eigennützig – dass ihr noch lange Freude an eurem Hobby findet und die bunte Pilzwelt mit Euren schönen Pilzportraits bereichert!
 

Veröffentlicht in den DGfM-Mitteilungen 2016/2

Bilder

Wolfgang-Beyer-Preisträger Jürgen Marqua und Christian Fischer

Wolfgang-Beyer-Preisträger Jürgen Marqua und Christian Fischer | Bild: Georg Schabel

Rötender Saftwirrling (Abortiporus biennis) auf der Website der „Ehinger Pilzflora“ | Porträt: Jürgen Marqua

Rötender Saftwirrling (Abortiporus biennis) auf der Website der „Ehinger Pilzflora“ | Porträt: Jürgen Marqua

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