Pilz des Jahres

Erfahren Sie, weshalb die Deutsche Gesellschaft für Mykologie 1994 den „Pilz des Jahres“ begründete und welche Arten seither auserkoren wurden, um Pilze als elementare Lebewesen unserer Ökosysteme zu beleuchten.

 

Bei feuchter Witterung öffnet sich die Außenhülle des Wettersterns sternförmig.

Wetterstern
Astraeus hygrometricus (Pers.) Morgan 1889

Eine zuverlässige Wettervorhersage ist ein alter Menschheitstraum. Jahrhunderte lang vertraute man auf den bekannten „Wetterfrosch“ im Glas, auf Fichtenzapfen, die ihre Schuppen spreizen, auf hoch oder tief fliegende Schwalben – und auf einen sternförmigen Pilz, dem man den ehrenvollen Namen Wetterstern verlieh.
Der Wetterstern wächst zunächst als unterirdische Kugel mit einer zweischichtigen Hülle heran, die sich – kaum aus dem Boden lugend - in eine äußere und eine innere Schicht aufspaltet. Das sternförmige Aufreißen reifer Fruchtkörper wird von der Luftfeuchtigkeit gesteuert: Bei feuchter Witterung löst sich die äußere Schicht von der inneren, reißt sternförmig auf und hebt den eigentlichen Sporenbehälter, eine dünnhäutige Kugel mit kleiner, zentraler Öffnung, empor. Trockene Luft kehrt den Vorgang um: Die „Arme“ des Wettersterns schließen sich wieder um den Sporenbehälter.

Echter Hausschwamm Foto: Peter Karasch

Echter Hausschwamm, Tränender Hausschwamm
Serpula lacrymans (Wulfen) P. Karst. 1884

Seit jeher gehört der Echte Hausschwamm zu den gefürchtetsten Schädlingen in Gebäuden, gebärdet er sich doch nicht selten unberechenbar, selbst in Fällen, wenn er schon erfolgreich bekämpft schien. Schon 1789 wird im Allgemeinen Magazin für die bürgerliche Baukunst „Von der Verhütung und Vertilgung des laufenden Schwammes in dem Holzwerke der Gebäude“ berichtet. 1866, 1885 und 1912 erschienen umfangreiche Abhandlungen über Leben, Vorkommen und die zerstörerische Wirkungsweise des Pilzes, und auch heute noch wird an ihm geforscht.

Papageigrüner Saftling (Hygrocybe psittacina) | Foto: Rosemary Winnall, commons.wikimedia.org, CC-BY-SA 2.5

Papageigrüner Saftling, Papageiensaftling
Hygrocybe psittacina (Schaeff.) P. Kumm. 1871

Die bunten Saftlinge wurden bereits als „Orchideen unter den Pilzen“ gezeichnet: Knallrote, rosafarbene, gelbe, violette, braune, graue und weiße Arten gibt es – und eben ihn, den „papageigrünen“. Er ist ein exotisch anmutender Pilz mit feucht glänzend-grünem Hut, der im Alter oft ins Gelbliche ausblasst und selten breiter als 5 cm wird; mit gelben Lamellen und einem glatten, tiefgrünen bis ocker-orangefarbenen Stiel, der wie der Hut bei Feuchtigkeit schmierig-schleimig ist. Für den Kochtopf ist er dagegen nicht geeignet.

Das im Orangefuchsigen Raukopf enthaltene Orellanin zerstört die Nieren.

Orangefuchsiger Raukopf, Orangefuchsiger Schleierling
Cortinarius orellanus Fr. 1838

Er gehört nicht zu den auffälligen Pilzen im Lande, und er kommt auch nicht überall vor. Dennoch sollte ihn jeder kennen, der beim Sammeln von Speisepilzen keine unliebsamen Überraschungen erleben will: Der Orangefuchsige Raukopf (Cortinarius orellanus) ist einer der gefährlichsten Giftpilze Europas und rangiert auf der Skala der lebensbedrohenden Arten gleichauf mit den gefürchteten Knollenblätterpilzen.

Die unterirdisch wachsende Mäandertrüffel ist essbar, roh aber wie viele Pilze giftig.

Mäandertrüffel, Stachelsporige Mäandertrüffel, Deutsche Trüffel
Choiromyces meandriformis Vittad. 1831

„Theophrastus hatte die Trüffel als Werk von Blitz und Regen betrachtet, und Porphyrus als das der Götter selbst. Sie flößte allen, die sich mit ihr beschäftigten, Demut, Respekt und Bewunderung ein.“ So beschreibt der amerikanische Schriftsteller Gustaf Sobin in seinem Roman „Der Trüffelsucher“ die geheimnisvolle Aura eines Pilzes, der seit alters her die Menschen fasziniert sei es als truffle (engl.), la truffe (franz.) oder tartufo (ital.).

Im Gegensatz zum rothütigen Fliegenpilz hat der Königsfliegenpilz einen braunen Hut.

Königsfliegenpilz, Brauner Fliegenpilz
Amanita regalis (Fr.) Michael 1904

Den (Roten) Fliegenpilz (Amanita muscaria) kennt jedes Kind, der Königsfliegenpilz fristet dagegen ein Schattendasein. Er hat eine braune statt einer roten Hutoberfläche. Er ist wenig bekannt, weil er so selten ist. Die Seltenheit beruht auf der Tatsache, daß er nur im natürlichen Areal der Fichte vorkommt. Dort, wo die Fichte nur angeforstet, aber nicht ursprünglich heimisch ist, findet man keine Fruchtkörper des Königsfliegenpilzes. Er ist also seinem Baumpartner nicht in fremde (Forst-)Gebiete gefolgt. Die Verwechslung mit dem essbaren Perlpilz (Amanita rubescens) führte gelegentlich zu Vergiftungsfällen. Dem braunen Königsfliegenpilz ähnlich sind auch der ebenfalls giftige Pantherpilz (Amanita pantherina) und der ungenießbare Graue Wulstling (Amanita spissa).

Die hellgraue Hutfarbe des Satanspilzes kontrastiert mit den roten Stielfarben.

Satansröhrling, Satanspilz, Teufelspilz
Boletus satanas Lenz 1831

„Es war eine bange, grausenvolle Nacht.“  So resümiert Dr. Harald Othmar Lenz die Schilderung einer Vergiftung mit einem bis 1830 noch unbekannten Pilz. Er gibt ihm in seinem 1831 erschienen Buch „Die nützlichen und schädlichen Schwämme, nebst einem Anhange über die isländische Flechte“ den Namen Satanspilz. Die Rache des Wissenschaftlers, die Erinnerung an einen Totenschädel, die der kahle weiße Hut erweckt, oder der Aasgeruch, den alte Fruchtkörper verströmen – aus dem Buch von Lenz geht nicht hervor, was ihn zu dieser Namensgebung bewogen hatte.

In Hochlagen kommt das seltene, bundesweit geschützte Schweinsohr vor.

Schweinsohr, Purpurleistling
Gomphus clavatus (Pers.) Gray 1821

Der beliebte, aber rare und immer seltener werdende Speisepilz erinnert an den bekannten Pfifferling. Wie bei diesem besteht seine Fruchtschicht aus Leisten. Er kommt vor von der Tiefebene bis in montane und subalpine Hochlagen, wobei letztere deutlich bevorzugt werden. Wenn auch selten kommt das Schweinsohr in ganz Europa vor und gehört in Deutschland zu den geschützten Arten. Der Name ist von seiner eigentümlichen Form abzuleiten.

Violettgrüne Hutfarben und biegsame Lamellen kennzeichnen den Frauen-Täubling.

Frauentäubling, Violettgrüner Frauentäubling, Blautäubling
Russula cyanoxantha (Schaeff.) Fr. 1863

Der Frauen-Täubling, der wegen seiner schönen Farben auch Grünvioletter Täubling genannt wird, hat im Gegensatz zu den anderen Arten dieser Gattung keine brüchigen, sondern weiche, biegsame Lamellen. Diese „Anschmiegsamkeit“ soll der Grund dafür sein, daß der Frauen-Täubling seit etwa 1920 so genannt wird. Er ist einer der besten Speisepilze dieser Gattung und erfreulicherweise nirgends selten. Er ist von der Meeresküste bis in subalpine Lagen verbreitet. Dort lebt er in Symbiose mit vielerlei Baumarten, wobei die Rotbuche als Lebenspartner bevorzugt wird.

Die Hutoberfläche des Habichtspilzes zeigt grobe, dunkel zugespitze Schuppen.

Habichtspilz, Habichtsstacheling, Rehpilz
Sarcodon imbricatus (L.) P. Karst. 1881

„Der Hut fleischig, nabelförmig, hellbraun mit dicken, fast aufrechten, dunkleren Schuppen bedeckt; die Unterseite des Hutes mit sehr spitzen, dichtstehenden, gelblichen Schuppen besetzt; der Strunk kurz, dick, glatt, gelblich, nicht in der Mitte des Hutes, sondern mehr seitwärts stehend. Wächst zur Herbstzeit in Nadelwäldern; ist eßbar.“ So beschrieb im Jahre 1840 der Lehrer für Naturgeschichte am Magdalenen-Gymnasium zu Breslau, Samuel Schilling, im „Gemeinnütziges Handbuch der Botanik oder Gewächskunde“ den Habichtspilz, ohne freilich zu ahnen, daß die 1921 gegründete Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM) über 150 Jahre später diese Art zum „Pilz des Jahres 1996“ ausersehen sollte.

Konsolenartiger Fruchtkörper des Zunderschwamms am Stamm einer Moor-Birke

Zunderschwamm
Fomes fomentarius (L.) Fr. 1849

Der Zunderschwamm steht auf keiner „Roten Liste“, ist weder ausgestorben, noch vom Aussterben bedroht und auch nicht ernsthaft gefährdet. Trotzdem hat ihn die Deutsche Gesellschaft für Mykologie zum Pilz des Jahres erkoren. Die mehrjährigen korkig-zähen Fruchtkörper wachsen breit hufförmig, umgekehrt konsolenförmig an totem Holz, werden bis zu 30 cm breit und bis zu 20 cm dick. Die braune bis graue Oberseite ist wellig-rillig gezont und hat eine harte Kruste. Die hell bis dunkelbraune Unterseite besteht aus einer glatten, feinen Porenschicht, unter der in dünnen Röhren die Sporen heranreifen.

Die Eichen-Rotkappe (Leccinum aurantiacum) kommt unter Eichen und anderen Laubbäumen vor. | Foto: Georg Müller

Eichen-/Laubwaldrotkappe, Braunschuppige Rotkappe
Leccinum aurantiacum (Bull.) Gray 1821

Infolge des dramatisch voranschreitenden Artenrückganges, auch bei Pilzen, hat sich die DGfM entschlossen, erstmals einen „Pilz des Jahres“ auszurufen. Für das Jahr 1994 ist es Leccinum quercinum (Bull.) Gray 1821, die Eichenrotkappe, auch Rotkäppchen genannt. Dieser Pilz soll auf besonders gefährdete Pilzarten und ganze Gattungen hinweisen, nämlich diejenigen, die in einer Wurzelsymbiose (Mykorrhizza) mit derzeit ebenfalls stark gefährdeten Baum- und Straucharten leben. Diese Mykorrhizza gewährleistet nicht nur die gegenseitige Ernährung der beiden Partner, sondern auch den Schutz vor Krankheiten und die Abwehr von Parasiten und Schädlingen.

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